Weiterdenken

Thema Progress:

Nicht alle Probleme lassen sich durch positives Denken, eine neue Einstellung oder mentale Übungen lösen oder auch nur verbessern. Das sei einmal vorausgeschickt und es gibt Dinge wie große Verluste, die längere Zeit schwer wiegen. Darüber hinwegzugehen, hilft nicht wirklich. Manches braucht Zeit und Geduld und wird vielleicht niemals ganz vergehen.

Aber viele Dinge lassen sich durch eine andere Perspektive verbessern und am Ende dieser Lektion werden Sie ein paar  Probleme weniger haben, über die Sie nachdenken müssen. Dazu müssen wir unser Gehirn wieder einmal austricksen. Es ähnelt in mancher Hinsicht oft einem kleinen Kind: Es will unsere uneingeschränkte Aufmerksamkeit, ist rationalen Argumenten oft nicht zugänglich (das gilt immer dann, wenn wir unter starkem Druck stehen, da dann alle stressbedingten Mechanismen und Einschränkungen greifen) – und wenn es nicht weiterweiß, zickt es rum.

Einstein hat sinngemäß einmal gesagt, man könne Probleme nicht auf derselben Ebene lösen auf der sie entstanden sind. Wenn in unserem Kopf ein “Gedankenkarussell” stattfindet, was immer dann passiert, wenn unser Gehirn für ein drängendes Problem keine Lösung weiß, geht es auch um die Suche nach Lösungen. Und hier machen wir bzw. das Gehirn einen Denkfehler: Manchmal ist das Gehirn die falsche Instanz für das Lösen von Problemen, nur würde es das niemals zugeben. Deshalb lässt unser Gehirn uns glauben, dass es irgendwann schon die Lösung finden wird, vorausgesetzt, wir denken lange genug darüber nach.

Der Theologe Reinhold Niebuhr hat in seinem “Gelassenheitsgebet” genau beschrieben, wie man differenzieren muss:

“Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.”

Unser Gehirn trifft diese Unterscheidung nicht von alleine. Solange wir es von der Leine lassen, versucht es, alle Probleme zu lösen. Je mehr wir über etwas nachdenken, desto mehr Neuronenverbindungen werden aktiv, und desto leichter lassen diese sich dann wieder und wieder aktivieren. Anders ausgedrückt: Die Dinge, über die wir am meisten nachdenken, bringt uns das Gehirn beim geringsten Anlass und am häufigsten wieder ins Bewusstsein. Deshalb werden manche Probleme scheinbar allgegenwärtig, riesig und unlösbar. Das ist aber nicht die Realität, sondern ganz einfach eine Folge dessen, wie unser Gehirn funktioniert.

Niebuhr unterscheidet zwei Versionen von Problemen: diejenigen, die man ändern kann, und solche, die man nicht ändern kann. Und das gibt uns die Möglichkeit, die Anzahl bestehender Probleme sofort zu reduzieren. Denn wenn wir ein Problem aktuell nicht ändern können, bringt es nichts, darüber nachzudenken. Das reduziert nicht nur das Stresslevel und macht das Leben leichter, sondern es macht auch zusätzliche Kapazitäten frei dafür, die Probleme in Angriff zu nehmen (in Gedanken und der Tat), die wir wirklich ändern können! Das heißt, ein erster Schritt, um aus dem Gedankenkarussell auszusteigen ist, jedes Problem daraufhin anzuschauen, ob Sie es jetzt gerade ändern können. Wenn nicht, müssen Sie nicht Tag und Nacht (vor allem nicht nachts) darüber nachdenken. Nehmen Sie sich lieber eines der Probleme vor, die Sie ändern können und sammeln Sie, wie Niebuhr es formulierte, den Mut, es anzugehen. Also gilt eine ganz einfache Regel: “Weiterdenken”, wenn wir uns dabei ertappen, wieder über dieselben unlösbaren Dinge nachzudenken. Der französische Künstler Francis Picabia hat das so ausgedrückt: “Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.”

Natürlich gibt es noch differenziertere Möglichkeiten, mit Problemen umzugehen, das folgt in der nächsten Lektion.

Auf alle Fälle ist hier für Sie noch das einfachste aller Arbeitsblätter. Nicht weil wir denken, dass Sie es brauchen, sondern um Ihrem Gehirn keine Möglichkeit zu geben, herumzuzicken.

Und noch ein Tipp: Aufschreiben, ankreuzen oder auf andere Weise festhalten und sichtbar machen ist eine weitere effektive Möglichkeit, das Gedankenkarussell anzuhalten (deshalb funktioniert übrigens auch die “Schäfchenliste” vor dem Einschlafen so gut. Nutzen Sie das Arbeitsblatt, um Themen oder Probleme erst einmal aus dem Kopf zu kriegen und Ihrem Gehirn rückzumelden: Machen wir, aber nicht jetzt. Probieren Sie es aus, und nehmen Sie sich jetzt Zeit dafür, mindestens 5 Minuten, um das zu sortieren, was Ihnen gerade dauernd durch den Kopf schwirrt. Und wenn Sie dabei tief atmen und entspannen, haben Sie doppelt etwas gegen Ihre aktuelle Stressbelastung getan!

Und als zusätzliche kleine Erinnerung (denn Ihr Gehirn neigt dazu, Sie alles vergessen zu machen, woran es selbst nicht erinnert werden will): Hier ist ein Plakat (A3), das Sie sich ausdrücken können.

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