Selbst-Sabotage

Thema Progress:

Kennen Sie das? Sie wollen etwas tun, vielleicht sogar unbedingt, haben aber diese Stimme im Kopf, die Sie dauernd runtermacht: “Das schaffst Du nie! Denk an das letzte Mal, da ist das auch total in die Hose gegangen. Wie blöd Du Dich nur immer anstellst, und schau mal, was Du jetzt gerade wieder machst. Das ist total lächerlich, ach was, hochgradig peinlich, und niemand wird Dich lieben, wenn herauskommt, wer Du wirklich bist.”
Zumindest in ähnlicher Weise kennen das wahrscheinlich die meisten Menschen. Wir nennen das den “inneren Kritiker”, aber eigentlich ist es ein Selbstsabotageprogramm. Vielleicht kennen sie es auch als ewigen Zweifler, Bedenkenträger oder jemanden, der Ihnen Erfolg und Freude vermiest, indem hinterher alles nicht gut genug war.

Zeit, unser Gehirn noch einmal näher anzuschauen und festzustellen, was genau da abläuft, was uns Stress macht und warum wir uns selbst immer wieder daran hindern, wunderbar, kreativ, erfolgreich und strahlend zu sein. Ach ja, und glücklich natürlich auch.

In Wirklichkeit haben wir nicht nur ein Gehirn, sondern mehrere. Und die wollen oft in ganz unterschiedliche Richtungen (was das Zweifeln erklärt und nicht gerade hilfreich ist, wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen).

Unser Gehirn ist während der menschlichen Entwicklung sozusagen in Schichten gewachsen, um sich den Umgebungsbedingungen anzupassen. Das Reptiliengehirn, das schnell reagiert, um unser Überleben zu gewährleisten, kennen wir ja, das war die Lektion mit dem Limbischen Profil und unserem Bedürfnis nach Sicherheit, Dominanz und Unterhaltung.

Die nächste “Gehirnschicht” repräsentiert quasi die Säugetierstufe (die wir entwicklungsgeschichtlich ja auch durchgemacht haben) und ist auf der Suche nach den angenehmen Seiten des Lebens – das, wofür man Zeit (und worauf man Lust) hat, wenn man sich gerade nicht um Existenzielles kümmern muss. Und obendrauf liegt der entwicklungsgeschichtlich neueste Gehirnbereich, das kognitive, denkende Gehirn. Es ist ein großer Schlaumeier, Besserwisser, Bedenkenträger – und oft auch unser schlimmster Kritiker.

Wir denken (wie gesagt, das Gehirn manipuliert uns perfekt), dass alles, was mit unserem Gehirn zu tun hat, rational, logisch und unbestechlich ist. Stattdessen läuft das Ganze eher so ab:

Reptiliengehirn: “Oh, Schokolade! Süß, fett, lecker, das ist gut für uns und liefert jede Menge Energie. Bitte, ganz viel davon und sofort!”
Kognitives Gehirn: “Auf keinen Fall, wir machen gerade Diät und Schokolade ist auch ungesund.”
Säugetiergehirn: “Aber so lecker. Und wir haben uns das verdient mit … egal, wir haben uns das verdient, oder, Reptilgehirn?”
Als Folge wird die Schokolade gegessen (die Schokolade gewinnt immer). Und schon geht die Diskussion weiter:
Kognitives Gehirn: “Schon wieder! Ihr seid schuld, ich war das nicht. Ich wollte doch keine Schokolade mehr essen!”
Säugetiergehirn: “War aber lecker. Jetzt hast Du uns den Spass völlig verdorben, Spielverderber. Im Übrigen war das nicht ich, sondern das Reptiliengehirn.”
Reptiliengehirn: “Immer bin ich schuld, Ihr seid gemein. Jetzt bekomme ich richtig Stress und schlechte Laune.”
[löst das Notfallprogramm aus]
“Ich brauch jetzt etwas Fettes und Süßes!”

Sie können Schokolade durch alles ersetzen, was Spaß macht oder erstrebenswert ist, immer werden die drei Gehirnteile im Kampf miteinander liegen. Und das Ergebnis ist, dass wir Vorsätze nicht einhalten, unvernünftig handeln und uns ständig niedermachen – kurz: dass wir uns ständig selbst Stress machen.

Einfacher wird es, wenn wir noch einmal zusammenfassen, wofür die einzelnen Gehirnteile verantwortlich sind.

  1. Das Reptiliengehirn oder Stammhirn ist für das reine Überleben verantwortlich und hat immer die höchste Priorität. Egal, was wir denken oder uns vornehmen, wenn unser Gehirn entscheidet, dass eine Situation gefährlich ist, werden jeder Vorsatz und jede noch so gute Idee scheitern. Immer, wenn unser Stresslevel hoch und der “Notfallmodus” eingeschaltet ist, ist das Reptiliengehirn besonders aktiv!
  2. Das “emotionale Gehirn” ist entwicklungsgeschichtlich eine Stufe höher anzusiedeln. Es darf mitspielen, wenn das Stress- und Angstlevel gerade mal niedriger ist. Es will, dass das Leben angenehm ist; wenn wir gerade keinen größeren Stress haben, lässt es den inneren Schweinehund von der Leine und reagiert sehr unvernünftig auf alles, was sich gut anfühlt. Man kann eine durchaus gute Zeit mit ihm haben!
  3. Das kognitive Gehirn ist der Teil, mit dem wir uns am meisten identifizieren und auch der Teil, der uns permanent vormacht, dass wir rationale und intelligente Wesen seien. Dabei vertuscht es, dass es viel langsamer als die beiden anderen Gehirnteile reagiert. Das Leben wäre viel einfacher, wenn das kognitive Gehirn alleine unser Handeln bestimmen würde; vielleicht weniger spaßig und sinnlich (denn dafür ist das emotionale Gehirn zuständig), aber auf alle Fälle weniger stressig (das Reptiliengehirn würde nicht ständig Alarm schlagen).Wir müssen dem kognitiven Gehirn also ein bisschen Zeit verschaffen, um sich durchzusetzen. Und das geht, indem man vorbereitet ist. Auf Ängste, Zweifel oder die Scheinargumente des inneren Kritikers. Dann können wir unsere Selbstsabotageprogramme umgehen und leichter und freier neue und erfolgreichere Wege gehen.

Dazu ist es wichtig zu verstehen, wofür die drei Gehirnbereiche verantwortlich sind, denn dann verstehen wir die Auslöser, auf die sie reagieren und wie sie argumentieren, um sich durchzusetzen.

Wir haben das auf einem Plakat übersichtlich zusammengestellt. Damit sprechen wir übrigens alle Gehirnteile an: Wissen und Erklärungen “füttern” den rationalen, kognitiven Bereich; Bilder machen Spaß und erreichen das emotionale Gehirn. Und wenn etwas nett aufbereitet ist und Hilfe verspricht, ist auch das Reptiliengehirn mit dabei (besonders, wenn es dabei auch noch im Schokolade geht)!

Poster 1  (A3) herunterladen >

Folgende Fragen helfen dabei, den nächsten Konflikten zwischen Ihren Gehirnbereichen aus dem Weg zu gehen:

1. Besteht irgendeine konkrete Gefahr? Wenn der Notfallmodus aktiv ist oder droht, kann man alle Pläne oder Veränderungswünsche vergessen. Hat man diesen Punkt abgeklärt, kann man das Reptiliengehirn erst einmal zum Verstummen bringen und zum nächsten Schritt übergehen. Dies ist übrigens generell etwas, das man als Stress-Vorbeugung tun kann!

2. Geht es bei dem Ziel, das ich verfolge, darum, ob sich etwas kurzfristig gut anfühlen wird oder mir langfristig wirklich guttun wird? Im ersten Fall steckt das emotionale Gehirn dahinter, das hauptsächlich kurzfristiges Vergnügen sucht. Anschließend stellt sich dann oft heraus, dass der Preis, den man dafür zahlen musste, zu hoch ist. Das kognitive Gehirn checkt dagegen die Langzeitfolgen ab; das kann zur Spaßbremse und zum Ewig-Hinauszögern führen, denn dieser Gehirnteil ist übervorsichtig und pessimistisch. Und da er seine Ansichten so rational und trocken darbietet, sind meist die “Argumente” des emotionalen Gehirns verlockender. Im Idealfall bringen wir beide dazu, zusammenzuarbeiten: Wir schauen bei einer der vielen  angeblich ausgezeichneten Ideen des emotionalen Gehirns mit unserer rationalen Seite nach Fallen und Hindernissen, aber auch Ressourcen und Unterstützung und machen dann einen Umsetzungsplan. Oder wir nehmen einen Plan des kognitiven Gehirns und suchen ein paar angenehme Aspekte und loben eine Belohnung aus, um das emotionale Gehirn mit ins Boot zu holen.

Wenn man unterscheiden kann, welches unserer “drei Gehirne” gerade spricht, ist es einfacher, wirklich gute Entscheidungen zu treffen, Hürden aus dem Weg zu räumen und die Stimme des inneren Kritikers auszuschalten. Jeder der Gehirnteile hat nicht nur eine eigene Stimme, sondern hat in bestimmten Situationen die besseren Ideen und Pläne. Wir müssen nur verstehen, wer da gerade spricht und was er (bzw. es) beabsichtigt.

Wenn sich also wieder ein Selbstsabotageprogramm einschalten sollte, z. B. in Form von übertrieben Ängsten, verführerischen Verlockungen oder Zweifeln und der Stimme des inneren Kritikers, organisieren Sie einen “Konferenzcall” zwischen allen Gehirnteilen. Unser zweites Poster zeigt noch einmal die “Spezialitäten” unserer drei Gehirne:

Poster 2 (A3) herunterladen >

Beide Infografiken im A5-Format >

Und jetzt sagt Ihr kognitives Gehirn wieder: Klar, hab ich verstanden, machen wir so nicht mehr – und macht genauso weiter wie bisher. Deshalb: Nehmen Sie sich jetzt wieder etwa 5 Minuten Zeit und spielen Sie (hallo, emotionales Gehirn!) ein paar Situationen durch (vergangene oder zukünftige). Und schauen Sie, was die einzelnen Gehirnteile dazu beitragen können, dass Sie in Zukunft stressige Situationen leichter, konstruktiver und mit mehr Spaß angehen können! Wir haben Ihnen auf einem Arbeitsblatt noch ein paar Beispiele zusammengestellt: